Nach einer abendlichen Anreise quer durch Österreich schlugen wir am Freitag Abend drei Zelte in Robert-Gilles’ Garten in Lieboch bei Graz auf, ließen anschließend in einem Bauernauschank noch die Gläser klingen und besprachen erwartungsvoll die kommenden Tage.
Eine zweitägige Tour auf der ungarischen Raab und eine kleine Abschlussfahrt am Montag auf der Sulm hat unser Mann vor Ort für Familie Stumpe, Familie Reuter und Elena und Martin ausgesucht. Letztere zwei sind unsere tapferen Frischlinge, die es sich als einzige der diesjährigen Schnupperkursteilnehmer nicht nehmen ließen, die Ausfahrt für Übungszwecke zu nutzen und herauszufinden, ob sie sich auf weitere Kanuflirts einlassen wollen oder nicht.
RAAB:
St.Gotthard, oder Szentgotthárd, wie es der Magyar versteht, war unser Ausgangspunkt .
Nach nach einer länger als üblichen Bootpackprozedur übergaben wir unsere fünf Kanadier und einen Kajak der angenehmen Strömung. Herrlich! Nach so langer Anlaufzeit mit Planung, Vorbereitung und Vorfreude endlich im Boot zu sitzen lässt unsere Glückshormone frohlocken.
Sobald wir die urbane Landschaft hinter uns wussten, übernahm eine wohltuende innere Ruhe von unseren Körpern Besitz und eine geruhsame Fließgeschwindigkeit erlaubte es, unser Gebein für die drei bevorstehenden Paddeltage zu ölen. Beinahe meditativ bewegten wir uns alsbald mit langsamen Paddelschlägen durch den ufersäumenden Urwald.
Nach zwei Stunden wurde unser Meditation durch das einzige Wehr am ersten Tag unterbrochen. Gepäck ausladen, schultern und Hindernis umtragen. Myastheniker benützten zu diesem Behufe einen Bootswagen, welcher bei Portagen dieser Art Erleichterung verspricht.
Vor dem neuerlichen Einstieg streikten die ersten müden Glieder und wir ließen uns zu einer Vesper nieder. Die Jugend meldete erwartungsgemäß „Hunger“ und der Tross – inklusive der Teil mit Bootswagen – musste sich von der ersten Anstrengung erholen.
Timi tauschte mit Robert-Gilles die Rollen und versuchte sich für den Großteil der Nachmittagstrecke im Kajak – worin er sich, nach anfänglichen Steuerschwierigkeiten, augenfällig recht wohl fühlte.
Auf den folgenden Kilometern begann sich das Gewässer mehr und mehr zu mäandern, die Mikroschwälle häuften sich und gelegentlich quer im Fluss liegende Baumhindernisse bedurfte es aufmerksam zu umpaddeln.
Es war spät am Nachmittag - wir sahen uns schon die Würstel am Lagerfeuer grillen - da sorgten Elena und Martin noch fürs Vorabendunterhaltungsprogramm. Ein weiterer Baum blockierte die Strömung in einer Rechtskurve und die Physik der Wasser, welche jedes im Fluss treibendes Objekt mit der Strömung ins Unheil schicken will, machte ein wohlüberlegtes Manöver von Nöten. Wer diese Tatsache ignorierte, musste entweder schaufeln wie Herkules und Fraukules oder empfahl seinen Geist in Gottes Hände. Der liebe Gott hatte aber zum damaligen Zeitpunkt anscheinend keinen Bock, denn trotz motivierender Zurufe von Herkules (das wäre dann Bootswagen-Herby) beschlossen die nun mit weit geöffnete Augen am Baum klebenden Bootsinsassen der sprituellen Reinigung des Kanuwanderns auch eine körperliche Reinigung folgen zu lassen. Sie gingen baden während das Boot die Reise kieloben alleine fortsetzte.
Die menschliche Fracht war schnell geborgen und unsere getauften Paddeleure machten sich’s Mitleid erregend auf dem Gepäck zweier Kanus bequem.
Das arschlinks nach oben treibende Kanu ans Ufer zu bugsieren gestaltete sich da schon als etwas kniffliger. Als hätte er den Schleudersitz gezündet flog Timi aus dem Kajak und Robert-Gilles sprang rein wie in eine zu enge Hose. Seine Gesichtszüge ließen keine Zweifel daran, dass er das sich vertschüssende Kanu sein Eigen nannte. Roland und Gaby eilten ihm zu Hilfe doch konnten sie auch zu dritt, mit einem schwer beladenen Kahn und einem Kajak, nur leidlich die Fahrt seines grünen Babys beeinflussen, zumal ein Kanu kieloben prinzipiell auf herkömmliche Befehle nur schwerfällig bis gar nicht reagiert. Nach gut einem Kilometer beendeten schließlich vereinte Kräfte, ein unbeugsamer Wille und außergewöhnliche Kajakkünste schließlich doch die Soloexkursion des Schiffchens und es bedurfte sechs kräftiger Arme um es umzudrehen und zu entleeren.
Inzwischen hatten die Anderen eine Anlegestelle nur zwei hundert Meter flussabwärts gefunden. Der große Kiesstrand entpuppte sich auch als ausgezeichnete Übernachtungsstelle, wo wir unsere Zelte aufstellten.
Wenn unsere Rookies dem Zusammenhang von Wasser und Nass bis hierher noch nicht auf die Spur gekommen waren, wurde er ihnen spätestens beim Auspacken ihrer nun durchtränkten Habseeligkeiten bewusst. Unser schon Tage vorher ausgerufener Appell, wichtige Utensilien hermetisch zu verpacken, fand offensichtlich bei ihnen kein Echo. Erstaunlich jedoch ihre stoische Gelassenheit, als sie Schlafsäcke, Schuhe, Bekleidung, Zelt, Handy und andere persönliche Sachen klitschnass aus ihren Rucksäcken zogen.
Der Teamgeist unsere Mannschaft zeigte ebenso unverzügliche wie vorbildliche Wirkung und die Täuflinge wurden durch eine Spendenaktion neu eingekleidet. Unsre Anliegen war, ihnen zumindest eine mehr oder weniger trockene Nacht bescheren zu können. Auch ein Feuerchen war schnell entzündet, um welches sich bald alle versammelten, um bei Speis und Trank über Sachverstand, gelebten Dilletantismus und die Sinnhaftigkeit wohlwollender Ratschläge zu philosophieren.
Über die feuchten Träume in ihrem feuchten Zelt weiß man nichts zu berichten, doch verriet die Contenance unserer Küken keinen Funken von Flügellahmheit. Ihr Elan schien ungebrochen als wir uns am späten Vormittag – wir sind allesamt eher von der gemütlichen Sorte – wieder in unsere Boote setzten.
Die Mäander und Mikroschwälle vom vortägigen Nachmittag setzten sich fort, doch war diesmal jeder auf der Hut und genoss die Fahrt durch die ruhevolle Landschaft.
Zur fortgeschrittenen Tageszeit gerieten die Vorstellungen Vieler mit dem des Flusses in einen Interessenskonflikt, als sich die Raab ca. 10 km vor Körmend vom Fließgewässer in ein Flachgewässer verwandelte. Hinter jeder neuen Kurve wünschten wir unser sportliches Tagwerk beendet und wurden immer wieder aufs Neue enttäuscht. Wir mussten feststellen, dass unsere Zeitberechnungen nicht mit unserer Leistungsfähigkeit kompatibel waren. Zwei Stunden malochen um anschließend noch mit einem unbefahrbaren Wehr beglückt zu werden! So ganz und gar nicht nach unserem Geschmack.
Der abenteuerliche Ausstieg verhalf dann so Manchem noch zu einer letzten Adrenalinproduktion: ein ganzer Meter (!!) vor dem Abgrund streckte uns ein kleiner Schlammstrand die Hand entgegen. Einzeln mussten wir anlegen, ausladen und unser Gepäck über bierkistengroße Steine (der Durst verhalf zu solch schicklicher Poesie) steil bergab schleppen.
Nach einer halben Stunde saßen wir wieder alle schlammigen Fußes wieder in unseren Kanus und machten uns auf, um den letzten Abschnitt zu bewältigen. Dieser erwies sich als erfreulich kurz, was ein mühseliger Ausstieg in Körmend aber wieder relativierte.
Wieder recht spät kamen wir zurück nach Lieboch, wo wir uns, zu erschöpft zum Kochen, Pizza bestellten. Elena und Martin suchten Refugium in einem Gästezimmer, weil die Aussicht auf eine weitere Nacht in einem nassen Zelt ohne Schlafsack ihrer Abenteuerlust den Garaus macht.
SULM:
Am nächsten Tag stand die Sulm auf dem Programm. Wer nicht weiß, wo die sich versteckt, es aber wissen will, befrage unsere allmächtigen Googlegötter. (Damit wird nicht zum Ausdruck gebracht, dass der Autor unfähig ist, selbiges zu tun, oder gar, dass er gar nicht wusste, wo er sich an dem Tag befand, dahinter steht lediglich die Absicht, diesen Bericht endlich zu Ende zu bringen.)
Nur soviel: ausgesprochen nett war’s! Kleines Flüsschen, eigentlich schon ein Bächlein. Schmal, gerade tief genug, um nicht aufzusitzen. Eine überhängende Baumallee spendete fast auf der gesamten Strecke willkommenen Schatten an diesem glutheißen Tag. Kurze moderate Übungsstellen, entworfen von umgestürzten Bäumen und überwuchernden Buschwerk sorgten für gute Unterhaltung.
Nach drei Stunden war’s aber leider auch schon wieder vorbei, da wir noch eine weite Heimreise vor uns hatten. Zuvor ließen wir uns aber noch bei einem weiteren Bauernausschank im Gastgarten nieder und beglückten unsere Gaumen mit steirischen Köstlichkeiten zu steirischen, für Tiroler ungewohnt angenehmen Preisen.
Wie steht’s eingangs geschrieben? „Leid können sie einem tun, die Daheimgebliebenen“. In Anbetracht eines gelungenen Abenteuers in der Steiermark ist von Mitleid zu sprechen tatsächlich nicht überzogen.
Obwohl...wer nicht weiß, was er versäumt hat, fängt mit unserem salbungsvollen Mitleid ohnehin nix an.
Roland
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